Gestationsdiabetes
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Diabetes mellitus

Als Diabetes mellitus bezeichnet man eine Stoffwechselerkrankung des Kohlenhydratstoffwechsels (Zuckerstoffwechsel). Ursache ist das Fehlen oder die verminderte Wirksamkeit des körpereigenen Hormons Insulin, das den Einbau von Glukose in die Körperzellen (z.B. Zellen der Leber, der Muskulatur und des Fettgewebes) steuert. Insulin wird normalerweise in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet. In 24 Stunden wird bei gesunden Menschen eine Gesamtmenge von etwa 40 IE (IE=Internationale Einheiten) Insulin in das Blut abgegeben. Die Ausschüttung wird u.a. von der Höhe des Blutzuckerspiegels gesteuert, den das Insulin senkt.

Insulin senkt den Blutzuckerspiegel

Es gibt verschiedene Arten des Diabetes mellitus. Bei einigen Menschen sind die Zellen, die in der Bauchspeicheldrüse das Insulin produzieren, durch Antikörper zerstört. Folge ist, dass diese Menschen sehr hohe Blutzuckerwerte haben, da das Insulin, das bei dem Einbau von Zucker in die verschiedenen Organe hilft, vollständig fehlt. Man spricht bei dieser Art vom Typ 1-Diabetes mellitus. Diese Patienten müssen unbedingt Insulin spritzen.

Bei anderen wiederum ist zwar die Insulinproduktion normal, häufig sogar erhöht, nur kann das vorhandene Insulin an den Organen nicht wirken. Dies liegt daran, dass die Empfangsstellen (Rezeptoren) an diesen Zellen zerstört sind. Man spricht von einem Typ-2-Diabetes mellitus. Es hat sich gezeigt, dass von diesem Diabetes sehr häufig übergewichtige Patientinnen betroffen sind. In vielen Fällen genügt zur Therapie schon eine Gewichtsreduktion. Bei einigen Patientinnen muss man zusätzlich Medikamente geben, die die Aufnahme der Kohlenhydrate aus dem Darm verhindern oder die Bauchspeicheldrüse stimulieren. Genügt dies nicht, muss ebenfalls Insulin gespritzt werden.

Ein normales Körpergewicht senkt das Risiko für einen Typ-2-Diabetes mellitus.

Eine weitere Form des Diabetes mellitus ist der

Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes)

Als Gestationsdiabetes bezeichnet man eine Kohlenhydratstoffwechselstörung, die erstmalig während der Schwangerschaft auftritt bzw. erkannt wird.

Die Ursachen des Gestationsdiabetes liegen einerseits an verschiedenen Schwangerschaftshormonen, die zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führen (z.B. Östrogen, humanes Plazentalaktogen), andererseits an der Ernährung, die in der Schwangerschaft häufig nicht optimal ist. Die Insulinausschüttung ist zu Beginn der Schwangerschaft eher vermindert, steigt dann aber erheblich an. Dabei gibt die Bauchspeicheldrüse das Insulin um ca. 15 Minuten verzögert in die Blutbahn ab. Wie beim Typ-2-Diabetes mellitus sind auch die Organzellen verändert, so dass die Insulinproduktion häufig nicht ausreicht.

Die Folge sind erhöhte Blutzuckerwerte vor und nach dem Essen.

Die Hormone können wir nicht beeinflussen, wohl aber die Ernährung, über die der zweite Teil des Heftes Auskunft gibt. Man kann festhalten:

Schwangerschaft bedeutet nicht, für zwei zu essen!

In 85% aller Fälle genügt zur Therapie bereits eine vollwertige, gesunde Ernährung, in 15% der Fälle muss zusätzlich Insulin gegeben werden.

Folgen für Mutter und Kind

Während der Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus nach mehreren Jahren zu Schädigungen der Augen, der Blutgefäße, der Nieren und der Nerven führt, betreffen die Auswirkungen des (im allgemeinen) kürzer bestehenden Gestationsdiabetes die Geburt und das Kind. Da die Nährstoffe, u.a. die Kohlenhydrate, über den Mutterkuchen und die Nabelschnur auf das Kind übergehen, reagiert es auf die hohen Blutzuckerwerte mit einer erhöhten Insulinproduktion und baut den Zucker als Fett in den eigenen Körper ein. Hierdurch wird das Kind dicker und größer (Makrosomie). Gleichzeitig produziert das Kind mehr Urin, wodurch die Fruchtwassermenge zunimmt. Dieses sind Risikofaktoren für eine Frühgeburt.

Zudem ist die Geburt eines großen Kindes schwieriger als eines normalgewichtigen. Patientinnen mit einem Gestationsdiabetes haben deswegen häufiger einen Kaiserschnitt oder eine Entbindung durch eine Saugglocke und einen Dammschnitt.

Die Durchblutung im Mutterkuchen ist ebenfalls gestört. Eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Kindes kann dann nur durch eine erhöhte Menge an Blutfarbstoff (Polyglobulie) gewährleistet werden. So haben Kinder von Gestationsdiabetikerinnen ein erhöhtes Risiko, mit sehr hohem Blutfarbstoff auf die Welt zu kommen. Hierdurch erhöht sich das Risiko einer Gelbsucht (Ikterus), die durch den Abbau des Blutfarbstoffes nach der Geburt entsteht.

Der Vorteil des Gestationsdiabetes ist, das man diese Erkrankung behandeln kann - vorausgesetzt, dass sie diagnostiziert wird.

Durch eine Behandlung des Gestationsdiabetes lassen sich die damit verbundenen Risiken auf das Risiko einer gesunden Schwangeren senken.

Diagnose des Gestationsdiabetes

Zur Diagnose eines Gestationsdiabetes muss die Schwangere eine zuckerhaltige Lösung trinken vorher und während des zweistündigen Test (oraler Glukosetoleranztest =oGTT, Zuckerbelastungstest) wird dreimal Blut abgenommen. Die Patientin sollte in den Tagen vor dem Test möglichst kohlenhydratreich essen, um die Bauchspeicheldrüse zu reizen. Am Abend vor dem Test darf sie bis ca. 22:00 Uhr essen und muss danach nüchtern bleiben. Am Morgen erfolgt zunächst eine Blutentnahme, danach erhält sie 75 g Glukose (Traubenzucker) als Trinklösung. Nach ein und zwei Stunden erfolgen weitere Blutentnahmen. Für die Diagnosestellung gibt es folgende Grenzwerte:

Nüchtern 92 mg/dl (5,1 mmol/l)

eine Stunde 180 mg/dl (10,0 mmol/l)

zwei Stunden 153 mg/dl (8,5 mmol/l)

Sofern einer der Werte erreicht oder überschritten wird, ist die Diagnose Gestationsdiabetes gesichert.


Vortest

Seit 2012 gibt es einen Vortest, der für jede Schwangere von den Krankenkassen bezahlt wird. Dieser dauert nur eine Stunde, die Schwangere muss für diesen Test nicht nüchtern sein. Sie erhält 50g Glukoselösung, nach einer Stunde wird der Blutzucker bestimmt. Ist der Wert 140 mg/dl (7,8 mmol/l) oder größer, muss ein oGTT durchgeführt werden.Nach Studien ist der Vortest verhältnismäßig ungenau, etwa 15% der Gestationsdiabetikerinnen werden nicht entdeckt. Daher wird die direkte Durchführung eines OGTT empfohlen, der u.U. von der Patientin selbst zu bezahlen ist.

Die zusätzlich in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Untersuchungen der Zuckerausscheidung im Urin (Glukosurie) ist sehr ungenau. Nur jede 10. Gestationsdiabetikerin hat eine Glukosurie!


Therapie des Gestationsdiabetes

Die Therapie des Gestationsdiabetes steht auf zwei Pfeilern, der Ernährungsumstellung und der Insulineinstellung. Bei 85% der Patientinnen genügen die diätetischen Maßnahmen zur Blutzuckeroptimierung, die übrigen 15% benötigen zusätzlich Insulin.

Diät bedeutet in diesem Zusammenhang bedarfsgerechte Ernährung.

Aber wie sieht der Bedarf aus?

Etwa 40% der Kalorien sollte aus Kohlenhydraten bestehen. Dabei sollten die sogenannten komplexen Kohlenhydrate den schnell verdaulichen vorgezogen werden, um einen raschen Blutzuckeranstieg zu vermeiden (Abbildung 3). Der Fettanteil sollte 35% nicht überschreiten, hier sollten die mehrfach ungesättigten Fette den gesättigten (aus tierischen Fetten) vorgezogen werden und der Eiweißanteil etwa 15%.

Die Nährstoffe liefern unterschiedliche Mengen an Energie (Kalorien). Während Wasser - außer Spurenelementen und Mineralstoffen - keine Energie liefert, enthält jedes Gramm Kohlenhydrat 4 kcal (Kilokalorien), für jedes Gramm Protein ebenfalls 4 kcal und für jedes Gramm Fett 9 kcal. Alkohol ist mit 7 kcal/Gramm ebenfalls sehr energiereich und sollte während der Schwangerschaft sowieso gemieden werden.

Während der ersten Hälfte der Schwangerschaft ist der tägliche Energiebedarf nicht erhöht. Während der zweiten Hälfte sollten täglich etwa 100-300 kcal zusätzlich zugeführt werden. Dabei ist das vor der Schwangerschaft bestehende Gewicht sowie die körperliche Aktivität zu berücksichtigen.

Der Energiebedarf in der zweiten Schwangerschaftshälfte wird folgendermaßen errechnet.

Der tägliche Energiebedarf in der Schwangerschaft beträgt ca. 30 kcal je Kilogramm des Körperzielgewichtes. Das Körpersollgewicht errechnet sich aus der Körpergröße in cm - 100.

Beispiel
Bei einer 1,70 m großen Patientin ergibt sich
Körperzielgewicht = 170 - 100 = 70 kg
30 kcal * 70 = 2.100 kcal.

In der Behandlung des Diabetes mellitus wird häufig von Broteinheiten (BE) oder Kohlenhydrateinheiten (KHE) gesprochen. Hierbei handelt es sich um die Menge an verdaulichen Kohlenhydraten.
1 BE = 12 g verdauliche Kohlenhydrate
1 KHE = 10 g verdauliche Kohlenhydrate

1 BE hat mit 12 g Kohlenhydraten (á 4 kcal) etwa 50 kcal.

Bei dem oben angeführten Beispiel beträgt der Kohlenhydratbedarf demnach 2100 kcal, hiervon 40% Kohlenhydrate sind 840 kcal. Dies entspricht ca. 17 BE

Die Nahrung auf dem Teller sollte möglichst bunt aussehen.

Patientinnen mit einer eingeschränkten Glukosetoleranz sollten eine Ernährungsumstellung vornehmen, da auch sie ein erhöhtes Risiko haben. Unter Umständen ist bei diesen Patientinnen eine Testwiederholung nach zwei Wochen sinnvoll.

Patientinnen mit einem Gestationsdiabetes sollten auf jeden Fall eine Diätberatung erhalten. Während der folgenden Tage muss schließlich geklärt werden, ob die Ernährungsumstellung zur Therapie ausreicht. Als sinnvoll erwiesen haben sich hierfür selbständige Blutzuckerwertmessungen (Blutzuckertagesprofil=BZTP) der Patientinnen vor und nach den Hauptmahlzeiten. Dies kann ambulant durchgeführt werden.

Folgende Blutzuckerwerte sollten nicht überschritten werden
Nüchtern (vor dem Frühstück) 90 mg/dl (5mmol/l)
1 Stunde nach dem Essen 140 mg/dl (7,8 mmol/l)
2 Stunden nach dem Essen 120 mg/dl (6,7 mmol/l)

Werden diese Werte nicht überschritten, genügt die Ernährungsumstellung, sonst muss zusätzlich Insulin gespritzt werden.

 



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